«Papieri» in Cham: vom Industrieareal zum lebendigen Quartier

Noch vor kurzem wurde auf dem zwölf Hektaren grossen Industrie-Areal der «Papieri» in Cham Papier produziert. Nun soll dort ein durchmischtes Wohn- und Arbeitsquartier entstehen. Mitgeplant haben nicht nur Grundeigentümerin und Gemeinde, sondern auch die Bevölkerung. EBP begleitet den gesamten Prozess von der Zielfindung über den Masterplan bis zur planungsrechtlichen Umsetzung.

«Umnutzung ja – aber nur dann, wenn Gemeinde und Bevölkerung in die Planung einbezogen werden», war die Haltung der Gemeinde, als die Cham Paper Group vorschlug, das Fabrikareal im Anschluss an die Verlagerung der Papierproduktion nach Italien umzunutzen. Schliesslich würde damit ein ganzes Stück Zuger Industriegeschichte zu Ende gehen.  

Die Grundeigentümerin und die Gemeinde entschieden deshalb, ein breit abgestütztes Entwicklungskonzept für das ehemalige Industrieareal zu erarbeiten und die Bevölkerung mit einzubeziehen. Der gesamte Planungsprozess sollte dann darauf aufbauen: vom städtebaulichen Studienauftragsverfahren über die Erarbeitung des Richtprojekts bis hin zum Bebauungsplan. Ende September 2016 kam das Projekt auch vors Stimmvolk – und wurde angenommen. Aber nun der Reihe nach.

Gemeinsamer Nenner trotz verschiedener Interessen

Der erste Schritt war, eine gemeinsame Vorstellung für das neue Quartier zu entwickeln. Die Meinungen von Grundeigentümerin und die Gemeinde zielten in die gleiche Richtung: Aus dem Industrieareal sollte ein lebendiges Quartier mit Wohn- und Gewerbeanteil entstehen. Doch welche Nutzungen würden überhaupt zur Gemeinde Cham passen? Müsste es ein Wohnquartier für mittelständische Familien werden oder auch Platz für preisgünstiges Wohnen bieten? Welches Gewerbe wäre anzusiedeln? Und inwiefern sollten Vorgaben zu Energieeffizienz und umweltfreundlicher Mobilität integriert werden? Die Ergebnisse wurden in Leitsätzen für die Arealentwicklung festgehalten. Ein Ding der Unmöglichkeit, weil der Gemeinderat und die Cham Paper Group andere Interessen verfolgten? Nein, denn dank der Flexibilität der Involvierten, einer zielgerichteten externen Moderation und unserer breiten Erfahrung mit sowohl der öffentlichen Hand als auch Immobilienentwicklern kamen wir schnell auf einen grünen Zweig.  

«Arealumnutzung vom Konzept bis zur Realisierung begleitet»

Die Bevölkerung plante mit

Nicht zuletzt sollte auch die Bevölkerung hinter der Umnutzung des Areals stehen. Vom ehemaligen Fabrikarbeiter bis zur Umweltschützerin: Alle interessierten Chamerinnen und Chamer konnten an mehreren Workshops ihre Ideen einbringen. Rund 60 Teilnehmende diskutierten eifrig die vom Gemeinderat und der Cham Paper Group entwickelten Leitsätze und formulierten ihre Ansprüche an die Entwicklung des Gebiets. Nutzungsmix, Freiräume, ÖV-Erschliessung, Nutzungspotenzial, 2000-Watt-Gesellschaft, Denkmalschutz oder Zwischennutzung – zu diversen Themen kamen vielseitige Anregungen zusammen. EBP stellte sicher, dass diese stufengerecht in die Aufgabenstellung an das städtebauliche Studienauftragsverfahren einflossen. In dieser sogenannten Testplanung entwickelten vier Planerteams unterschiedliche städtebauliche Lösungen für die künftige Nutzung des Papieri-Areals und zeigten auf, wie die verschiedenen Ansprüche unter einen Hut zu bringen wären. Zusammen mit dem aus der Testplanung ausgewählten Team Albi Nussbaumer Architekten, Boltshauser Architekten und Appert Zwahlen Partner AG Landschaftsarchitektur hat EBP anschliessend die Ergebnisse des Studienauftragsverfahrens in ein Richtprojekt mit Masterplan überführt. Auch dazu konnte sich die Bevölkerung in einer Beteiligungsveranstaltung äussern.

Das Richtprojekt von Team Albi Nussbaumer Architekten, Boltshauser Architekten und Appert Zwahlen Partner AG Landschaftsarchitektur zeigt auf, wie verschiedene Ansprüche unter einen Hut gebracht werden können.
Das Richtprojekt von Team Albi Nussbaumer Architekten, Boltshauser Architekten und Appert Zwahlen Partner AG Landschaftsarchitektur zeigt auf, wie verschiedene Ansprüche unter einen Hut gebracht werden können.


Die richtige Flughöhe treffen

Die Vorgehensweise ist bei allen Beteiligten auf ein sehr positives Echo gestossen. Was allerdings vielen Mühe bereitete, war der hohe Abstraktionsgrad. Immer wieder musste auf verständliche Art gezeigt werden, wie ein Planungsprozess eines Areals abläuft und welches Ziel mit welchem Schritt verfolgt wird. Insbesondere galt es zu beachten, dass das Areal über einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren entwickelt würde und die Rahmenbedingungen im Immobilienmarkt und in der Politik stark ändern können. So sind zu fixe Vorgaben einer organischen Quartierentwicklung wenig förderlich. 

Zustimmung der Bevölkerung zum Bebauungsplan

Heute, gut vier Jahre, nachdem der Planungsprozess begonnen hat, ist man einen wichtigen Schritt weiter: Die Einwohnerinnen und Einwohner von Cham haben im Herbst 2016 an der Urne dem Bebauungsplan und der Teiländerung Bauordnung und Zonenplan zugestimmt. Nach Genehmigung durch den Zuger Regierungsrat sind damit die rechtlichen Voraussetzungen für eine neue «Wohn- und Arbeitszone Papieri» geschaffen und der Weg ist frei für die Planung einzelner Gebäude. Bis die ersten Bagger auffahren, wird es jedoch noch etwas dauern. Momentan steht das Areal für Zwischennutzungen aller Art zur Verfügung.

Informationen zum Planungsprozess finden Sie hier.

Die Beteiligten im Überblick

  • Auftraggeber: Einwohnergemeinde Cham und Cham Paper Group
  • Richtprojekt: Albi Nussbaumer Architekten, Boltshauser Architekten, Appert Zwahlen Partner AG Landschaftsarchitektur
  • Externe Moderation und Prozessbegleitung: Fritz Schumacher, ehem. Kantonsbaumeister Basel-Stadt
  • Mitwirkung der Bevölkerung: Michael Emmenegger
  • Leitsätze und Durchführung städtebauliches Studienauftragsverfahren (Testplanung): EBP
  • Masterplan, Bebauungsplan, Anpassung Zonenplan / Richtplan: EBP
  • Prozessdesign und Projektmanagement: EBP
  • Fachgutachten: diverse Fachplaner

Die Leistungen von EBP auf einen Blick

Der Projektleiter:

Matthias Thoma

In Projekten wie der Arealentwicklung Papieri ist Matthias Thoma besonders motiviert, Lösungsansätze im Zusammenspiel öffentlicher und privater Interessen zu finden. Inspiration und Ausgleich findet er vor allem auf Städtereisen und beim Wandern.